Newsletter vom 10. Februar 2023

Newsletter vom 10. Februar 2023

Liebe Freundinnen und Freunde von Back on Track,

eigentlich wollten wir euch in diesem Newsletter darüber berichten, was wir im Januar so alles an schönen Erlebnissen und Erfolgen hatten.
Das wird jetzt leider alles weggewischt von dem verheerenden Erdbeben, das sich am Montag in der Südosttürkei und Nordsyrien ereignet hat.

Alle laufen hier in der Geschäftsstelle herum und können vor lauter Sorgen um Familien und Freunde keinen klaren Gedanken fassen.
Deswegen haben wir uns heute entschlossen, den Newsletter diesmal ausschließlich mit Nachrichten aus dem Erdbebengebiet zu gestalten. Alles andere fühlt sich für uns gerade falsch an.

Wir möchten darin die Menschen aus Syrien und der Türkei selbst zu Wort kommen lassen.
Weiter unten findet ihr Organisationen, an die ihr spenden könnt, wenn ihr sicher sein wollt, dass die Gelder in den betroffenen Regionen ankommen.



Ein Bericht über die Familie in Idlib

Es ist kein Horrorfilm, es passiert wirklich: Mitten in der Nacht wachen sie auf. Eine unsichtbare Kraft schüttelt ihre Häuser. Wände stürzen ein. Angst- und Hilfeschreie sind von überall zu hören. Sie stürzen aus ihren Betten, wickeln im Hinauslaufen ihre Kinder in Decken und hasten hinaus in die eiskalte Nacht.

Dort bleiben sie die ganze Nacht und auch die nächsten Tage - in der Kälte und im strömenden Regen.

Die meisten Häuser sind eingestürzt. Die restlichen sind nicht mehr sicher. Wer lebend hinausgekommen ist, kann sich glücklich schätzen.

Strom gibt es nicht mehr. Ohne Heizmaterial sitzen sie auf der Straße. Ohne Internet gibt es kaum eine Möglichkeit, mit den Verwandten zu sprechen und zu hören, wer anderswo vielleicht überlebt hat.

Das Ausheben der Gräber geht nur schwer vonstatten. Tagelange Regen-und Hagelschauer haben den Boden so aufgeweicht, dass man eigentlich im Schlamm gräbt, während man sich dem Sturm entgegenstemmen muss.

Während einige Männer Gräber für ganze Familien ausheben, suchen andere unter den Trümmern nach Überlebenden.

Schweres Gerät fehlt. Hilflos die Versuche, mit dem Hammer und den bloßen Händen zu den Verschütteten vorzudringen. Aber jetzt gibt es auch keine Eile mehr. Die Hilferufe sind verstummt.

Jetzt müssen nur noch Leichen geborgen werden. Sie können warten.

Die Menschen versammeln sich, um zu trauern. Sie sitzen dort wie erstarrt, in ihren Augen Trauer und Angst. Angst vor dem, was kommen mag. Die Katastrophen scheinen nicht abzureißen. Ein Endzeitgefühl breitet sich aus. Die Menschen können nicht mehr an morgen denken. 

In den Dörfern, die etwas weniger zerstört sind, werden Hilfsgüter gesammelt. Die Menschen geben alles, auch das, was sie vielleicht selbst noch dringend brauchen könnten. Kleidung, ein Glas Oliven werden in stärker betroffene Dörfer geschickt.

Großartig sind diese Menschen noch in ihrer Solidarität.

 

Schwer zu ertragen ist, dass die Familien seit 2012 in alle Winde zerstreut sind. Zuerst Flucht und Vertreibung innerhalb Syriens, dann in die Nachbarländer, später nach Europa. So muss jeder allein mit den Schicksalsschlägen fertig werden, was sie noch unerträglicher macht.

Wir flehen euch an: Öffnet die Grenzen, so dass schweres Gerät sowie Kleidung, Decke und Zelte zu unseren Familien gebracht werden können - und lasst die Menschen nicht in Zelten zurück. Helft ihnen, ihre Häuser wieder aufzubauen!


Bericht von Ahmad aus Syrien:

Sie haben die Frau aus den Trümmern ihres Hauses geborgen - sie und zwei Kinder, die nicht mehr am Leben waren. Sie war kurz bei Bewusstsein und sagte zu ihrem Mann, der zur Zeit des Erdbebens nicht im Haus gewesen war: “Die drei Großen haben es aus dem Haus geschafft. Ich habe ihre Stimmen im Treppenhaus gehört. Ich bin zurückgelaufen, um die beiden Kleinen zu holen und habe es nicht rechtzeitig heraus geschafft. Vielleicht wurden sie gerettet. Such in den Krankenhäusern!” Dann starb sie.

Die drei Kinder wurden unter dem eingestürzten Treppenhaus geborgen. Auch sie waren nicht mehr am Leben.

Die Frau und fünf Kinder. Der Vater blieb allein zurück.


Bericht von Elaph aus der Türkei

Alle sind so traurig. Es ist mir peinlich, über mich selbst zu sprechen.

Trotzdem: 

Mein einziger Bruder (32) und seine Frau (22) sind noch verschüttet. Die Rettungsmannschaft hören noch Stimmen aus den Trümmern. Sie haben fünf Menschen lebend herausgeholt und fünf Leichen. Es geht alles so langsam. Ein Mann starb gerade, als sie sich zu ihm vorgearbeitet hatten. Meine Mutter schläft neben den Trümmern des Hauses und ruft meinen Bruder, in der Hoffnung, dass er sie hören kann.

Bitte helft uns!


Spendenaktionen für Erdbebenopfer in Nordsyrien und der Türkei

Natürlich fragen sich hier alle, wie man am besten helfen kann. Das Einzige ist tatsächlich, zu spenden - und zwar an Organisationen, die in Nordsyrien auch vertreten sind. Der Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine (VDSH) hat auf seiner Webseite eine Liste von Organisationen veröffentlicht. https://verband-dsh.de/

Eine andere gute Möglichkeit, die Menschen im Norden Syriens zu erreichen, sind auch die Weißhelme, die seit Jahren Erfahrung mit der Bergung von Verschütteten haben https://www.whitehelmets.org/en/.  

Eine Möglichkeit, Geflüchtete in Gaziantep zu unterstützen, die jetzt schon zum wiederholten Mal alles verloren haben, ist es, direkt an unseren Kooperationspartner in Gaziantep, Homs League Abroad, zu spenden. Darum hat mich der Projektleiter in Gaziantep gebeten. Aufgrund der ständigen Nachbeben müssen die Leute dort seit Tagen bei Minustemperaturen auf der Straße ausharren, denn fast alle noch stehenden Gebäude sind einsturzgefährdet. 

Mit Spendengeldern könnten sie zumindest anfangen, an die Familien der Schüler*innen Decken und heiße Suppe auszugeben. Der Verein ist auch im Norden Syriens aktiv und wird auch dort helfen. Hier ist die Bankverbindung von Homs League Abroad in Deutschland:

Homs League Abroad
Postbank, IBAN: DE05 4401 0046 0285 5784 61; BIC: PBNKDEFF


Wie weiter?

Unsere Bundesfreiwillig*innen und Praktikant*innen unterstützen in diesen Tagen andere syrische Vereine in Berlin beim Sortieren und Verpacken von Spenden.


Wenn ihr Ideen habt, wie wir als “Back on Track” die von uns betreuten Familien hier bei der Versorgung ihrer Angehörigen im Erdbebengebiet unterstützen können, lasst es uns wissen.

Es müssen langfristig angelegte Projekte entwickelt werden, die verhindern, dass die Menschen dort in Vergessenheit geraten!

Euer Team von Back on Track

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